Verfassungswidrigkeit von Säumniszuschlägen?

Verfahrensrecht

Die Verfassungsmäßigkeit von Säumniszuschlägen ist nicht abschließend geklärt.

§ 240 AO sieht einen Säumniszuschlag für jeden angefangenen Monat von 1 % des auf 50 EUR abgerundeten rückständigen Steuerbetrags vor. Nachdem der BFH in zwei vorangehenden Verfahren wegen verfassungsrechtlicher Bedenken Aussetzung der Vollziehung zugelassen hat (BFH-Beschlüsse vom 31.08.2021, VII B 69/21, n. v. und vom 23.05.2022, V B 4/22, NWB Dok. ID FAAAJ - 17957), sieht der VI. Senat in seinem Beschluss vom 28.10.2022 bei summarischer Prüfung keine ernstlichen Zweifel an der Verfassungsmäßigkeit der gesetzlich festgelegten Höhe der Säumniszuschläge.  

Sachverhalt

Die X-GmbH wehrte sich mit einem Einspruch gegen einen Abrechnungsbescheid über 42 EUR Säumniszuschläge und beantragte deren Aussetzung der Vollziehung (AdV). Im Hinblick auf die Änderung der Vollverzinsung zu § 233a AO bestünden ernstliche verfassungsrechtliche Zweifel an der gesetzlich festgelegten Höhe der Säumniszuschläge. Während das Finanzgericht mit Beschluss vom 14.02.2022 - 8 V 2789/21 die Vollziehung des Abrechnungsbescheides in voller Höhe ausgesetzt hat, hob der VI. Senat des BFH die Aussetzung der Vollziehung aufgrund einer Beschwerde des Finanzamts auf. Begründung des BFH Im Gegensatz zum V. und VII. Senat hat der VI. Senat keine ernstlichen Zweifel an der Verfassungsmäßigkeit und der Unionsrechtskonformität der verwirkten Säumniszuschläge.

Bei ernstlichen Zweifeln an der Verfassungsmäßigkeit eines formell ordnungsgemäß zustande gekommenen Gesetzes erfordert die AdV grundsätzlich ein besonderes berechtigtes Interesse an der AdV (BFH-Urteil vom 09.03.2012, VII B 171/11). Dies sei bei dem hier vorliegenden Bagatellfall (Säumniszuschlag i. H. v. 42 EUR) nicht gegeben. 

Praktikerwissen

Die Frage der Verfassungsmäßigkeit ist aufgrund der divergierenden Auffassungen innerhalb des BFH nach wie vor nicht geklärt. Sollte kein Bagatellfall gegeben sein, sollten Sie diesen offen halten.

Fundstelle

BFH-Beschlüsse, 28.10.2022 und 11.11.2022, VI B 15/22 (AdV) und VIII B 64/22 (AdV)

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